Gem. § 1 EStG (Einkommensteuergesetz) sind natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
„Unbeschränkt Einkommensteuerpflichtig“ bedeutet, dass sich die Besteuerung der Einkünfte (§ 2 EStG) auf das gesamte Einkommen – Welteinkommen – erstreckt.
Im Umkehrschluss sind natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 49 EStG).
„Beschränkt Einkommensteuerpflichtig“ bedeutet, dass sich die Besteuerung der Einkünfte auf die inländischen (im Inland erzielten) Einkünfte beschränkt. Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte sind in § 49 EStG dargelegt und entsprechen weitgehend den Einkunftsarten gem. § 2 EStG.
Dies zum Grundsätzlichen. Durchbrochen werden die vorgenannten Ausführungen durch zahlreiche Sonder-/Ausnahmeregelungen.
Entscheidend sind die tatsächlichen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse. Darüber hinaus ist es gut zu wissen, unter welchen Umständen die „unbeschränkte Steuerpflicht“ vorteilhaft und unter welchen Umständen die „unbeschränkte Steuerpflicht“ im Einzelfall Nachteile mit sich bringt. Dies gilt es im Einzelfall zu prüfen/zu beraten.
Zur Übersicht:
1. Vorteile einer „unbeschränkten Steuerpflicht“ und Sonderregelungen hierzu:
Beschränkt Steuerpflichtige werden nur mit ihren inländischen Einkünften besteuert und können systembedingt damit eine Reihe von Steuererleichterungen nicht in Anspruch nehmen, die sich an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen/seinen gesamten Einkünften orientieren (vergl. § 50 EStG).
Hierzu gehören – bis auf die im Gesetz geregelte Ausnahmen – :
- Berücksichtigung des Grundfreibetrages (§ 32a Abs. 1 S.2 Nr. 1 EStG)
- Anwendung des Splittingtarifes für Verheiratete
- Sonderausgaben über den Pauschbetrag und die Vorsorgepauschale hinaus.
- Nichtberücksichtigung von Kinderfreibeträgen
- Kein Anspruch auf Kindergeld
- Nichtberücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen
Soweit die Einkünfte überwiegend im Inland bezogen werden, kann im Ergebnis die „beschränkte Steuerpflicht“ zu einer steuerlichen Benachteiligung/steuerlichen/finanziellen Mehrbelastung gegenüber den unbeschränkt Steuerpflichtigen führen.
Ausnahmeregelungen/Sonderregelungen
Antrag auf „unbeschränkte Steuerpflicht“ gem. § 1 Abs. 3 EStG
Auf Antrag werden beschränkt steuerpflichtige Personen wie unbeschränkt steuerpflichtige Personen behandelt, wenn ihre Einkünfte zu 90 % der deutschen Steuer unterliegen oder die ausländischen Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen. Auf die Detailregelungen der Gesetzesvorschrift hierzu wird verwiesen.
Damit besteht ggf. Anspruch auf Kindergeld, Grundfreibetrag etc.
Beispielfall:
Ein deutsches Ehepaar mit Kind erzielt nur inländische Einkünfte und gibt seinen inländischen Wohnsitz auf, um einen längeren Auslandsaufenthalt (über sechs Monate) anzutreten. Im Ausland werden keine Einkünfte erzielt. Folge: Kein Anspruch auf Kindergeld etc.
Lösung: Antrag gem. § 1 Abs. 3 EStG
Der Antrag kann im Rahmen des Antrages auf Lohnsteuerermäßigung und im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung gestellt werden. Die ausländische Finanzbehörde hat die dortigen Einkommensverhältnisse zu bescheinigen. Die Formulare können im Internet in deutscher und der jeweiligen EU-Landessprache abgerufen werden.
Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht für im EU/EWR-Ausland lebende Familienangehörige (Ehegatten, geschiedene Ehegatten)
Unbeschränkt Steuerpflichtige mit Angehörigen im EU/EWR-Ausland werden durch eine Reihe von Sonderregelungen den inländischen unbeschränkt Steuerpflichtigen, deren Familienangehörige im Inland leben, gleichgestellt.
Hierzu gehören gem. § 1a EStG:
- Anwendung des Splittingtarifes bei im Ausland lebenden Ehegatten, soweit diese nicht dauernd getrennt leben.
- Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten (§ 10 Abs. 1 EStG/Realsplitting).
- Weitere Regelungen gem. Gesetzeswortlaut (§ 1a EStG).
Antrag im Rahmen der Einkommensteuererklärung gem. Anlage EU/EWR in deutscher und der jeweiligen EU/EWR Landessprache.
Antragsformulare gem. Internetabruf des Bundesfinanzministeriums
2. Vorteile einer „beschränkten Steuerpflicht“ und Sonderregelungen hierzu:
„Steuerflucht ins Ausland?“
Bei hohen Einkünften, die im Ausland erzielt wurden, aber im Inland zu den inländischen Steuersätzen besteuert werden sollen oder beispielsweise auch bei hohen Abfindungszahlungen oder Sondererlösen, wünscht sich der Steuerbürger häufig doch das Land für die Dauer des „Geldregens“ zu verlassen.
Prinzipiell sind natürliche Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, nur mit ihren inländischen Einkünften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 EStG) steuerpflichtig.
Darüber hinaus bestehen zwischenstaatliche Regelungen (DBA – Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung), die bei bestimmten Einkünften (Arbeitslohn, Immobilien u.a.) die Besteuerungshoheit regeln.
Ein Staat, der seinen Beamten Pensionen gewährt und Zuschüsse in die öffentlichen Rentenkassen zahlt, will sich die Besteuerung dieser Einkünfte nicht nehmen lassen.
Bezug von Renten aus der deutschen Rentenversicherung im Ausland
Durch eine Wohnsitzverlegung nach Mallorca/Spanien kann man sich der deutschen Besteuerung nicht entziehen. Die Rentner werden durch die Finanzverwaltung (zuständig: Finanzamt Neubrandenburg) aufgefordert eine Steuererklärung abzugeben. Soweit kein inländischer Wohnsitz mehr besteht, erfolgt die Besteuerung nach den Regeln der beschränkten Steuerpflicht. Das heißt, die inländischen Einkünfte werden in Deutschland besteuert. Der Grundfreibetrag wird jedoch in diesem Fall nicht gewährt, so dass dies regelmäßig für den Rentenempfänger zu einer Steuerbelastung führt. Im Ausland bezahlte Steuer auf die Rentenbezüge wird auf die inländische Steuer angerechnet. Lebt der Rentner im EU-Ausland und erzielt ansonsten keine weiteren Einkünfte (was der Regelfall ist), besteht Anspruch auf die Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger gem. § 1 Abs. 3 EStG. Der Antrag hierzu kann gestellt werden, wenn die gesamten Einkünfte zu mindestens 90 % in Deutschland zu versteuern sind. In diesem Fall besteht auch Anspruch auf den Grundfreibetrag (2023: 10.908 €) und somit kommt es zu keiner oder ggf. deutlich niedrigeren Steuerlast. Weitere Infos zum Thema auch unter www.finanzamt-rente-im-ausland.de .
Erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach dem Außensteuergesetz und nach Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung
Erfolgt ein „plötzlicher“ Umzug ins Ausland allein steuermotiviert, greifen i.d.R. eine Reihe von Sondervorschriften, die einem Entzug der deutschen Besteuerung vermeiden sollen.
Personen, die nach ihrem Umzug ins Ausland dort nicht oder niedrig besteuert werden, trifft unter Umständen eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Außensteuergesetz (AStG) oder auch die länderspezifischen Regelungen gem. den bilateralen Abkommen zwischen den Staaten zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung (z.B. Österreich, Schweiz etc. oder auch MusterDBA).
In allen Regelungen ist der Tenor, dass der „Wegzug“ mehr oder weniger steuerlich motiviert ist und ansonsten nicht auf wirtschaftlichen Interessen (Arbeitsaufnahme etc.) begründet ist und allein die Besteuerung dem Grunde nach „inländischer Einkünfte“ ins Ausland verlagert werden soll.
Nach § 2 AStG ist eine natürliche Person auch nach Wegzug in ein Niedrigsteuerland unter bestimmten Umständen (wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen u.a.) für weitere zehn Jahre in Deutschland mit ihren inländischen Einkünften erweitert beschränkt steuerpflichtig.
Die in einigen DBAs (Bilaterale Abkommen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung) getroffenen Regelungen zur sogenannten „überdachenden Besteuerung“ (Beispiel gem. Artikel 4 Abs. 4 des DBA Schweiz) führen dazu, dass im Ergebnis ein, in das Ausland abgewanderter Steuerbürger, mit seinen aus Deutschland resultierenden Einkünften für weitere fünf Jahre der deutschen Besteuerung unterliegt, obwohl ein DBA mit abweichender Grundregel besteht. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Wegzug eine mindestens fünfjährige unbeschränkte Steuerpflicht vorausgegangen ist. Per Saldo soll hier das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus Deutschland in bestimmten Fällen innerhalb von fünf Jahren nach Verlegung des Wohnsitzes in Deutschland verbleiben.
Ist das Ziel die Besteuerung der Einkünfte in Deutschland zu vermeiden, muss der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz und seine Einkünfte ins Ausland verlagern und im Einzelfall prüfen, inwieweit die genannten Sonderregelungen greifen.
3. Weitere Sonderregelungen zur Besteuerungshoheit
Für ausländische Beamte im Inland oder Angehörige einer ausländischen Armee (z.B. USA), obliegt die Besteuerung der dort erzielten Einkünfte (z.B. Lohn) dem jeweils anderen Staat. Grundlage hierfür bilden die getroffenen bilateralen Vereinbarungen (Nato-Truppen-Statut, Offshore-Abkommen, DBA). Ob darüber hinaus eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland besteht, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalls ab. Ein Armeeangehöriger, der auf dem Kasernengelände wohnt und sonst keine weiteren inländischen Einkünfte erzielt, ist in Deutschland nicht steuerpflichtig. Anders ist der Fall, wenn beispielsweise ein ausländischer Soldat mit seiner Ehefrau außerhalb der Kaserne wohnt. Die Armeeeinkünfte unterliegen dem Progressionsvorbehalt. Die übrigen inländischen Einkünfte unterliegen der deutschen Regelbesteuerung. Eine Zusammenveranlagung/Splittingtarif ist möglich.
4. Näheres zum Thema „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“
Wichtig: Der „steuerliche Wohnsitz“ oder „gewöhnliche Aufenthalt“ einer Person bestimmt sich nach dem tatsächlichen Lebenssachverhalt und nicht nach dem Willen der Person oder sonstigen skriptiven Merkmalen wie polizeiliche Anmeldung, Mietverträge etc.
Gem. § 8 AO (Abgabenordnung) hat jemand dort seinen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lässt, dass er die Wohnung beibehalten und benutzten wird.
Unter Wohnung sind letztlich alle Räumlichkeiten zu verstehen, die zum Wohnen geeignet sind. Der Begriff ist weit auszulegen. Ein fester Raum, der mit Möbeln ausgestattet und beheizbar ist und über einen Zugang zu sanitären Einrichtungen und einer Kochgelegenheit verfügt, reicht. Dies kann eine Gemeinschaftsunterkunft, ein Ferienhaus oder auch ein feststehender Campingwagen sein.
Der Steuerpflichtige muss die Wohnung tatsächlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit nutzen und sie muss ihm auch zur Verfügung stehen. Eine weiter vermietete Wohnung (länger als sechs Monate) steht dem Steuerpflichtigen nicht zur Verfügung.
Nicht getrennt lebende Ehegatten (räumlich zeitweise aber wirtschaftlich, familiär nicht getrennt) haben grundsätzlich ihren Wohnsitz dort, wo sich die Familie aufhält.
Die Aufgabe des Wohnsitzes bedeutet, dass die Wohnung dauerhaft weder vom Steuerpflichtigen noch von seinen Angehörigen genutzt wird. Eine Wohnung gilt unzweifelhaft als aufgegeben, wenn sie geräumt und damit nicht mehr nutzbar ist.
Eine nur vorübergehende Nutzung (Urlaub etc.) begründet keinen Wohnsitz. Nur vorübergehend sind maximal zwei Monate.
(Vergl. Zu § 8 Anwendungserlass zur Abgabenordnung/AEAO)
Liegt kein Wohnsitz im steuerlichen Sinne von § 8 AO vor, kommt eine unbeschränkte Steuerpflicht in Betracht, wenn der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 9 AO).
Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat gem. § 9 AO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dies ist regelmäßig bei einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten gegeben. Kurzfristige Unterbrechungen bleiben hierbei unberücksichtigt.
Aufenthalte, die ausschließlich privaten Zwecken wie Kur etc. dienen, bleiben unberücksichtigt soweit sie zwölf Monate nicht überschreiten.
Finanzbehörde / Zuständigkeiten:
Inländer / unbeschränkt Steuerpflichtigen geben ihre Einkommensteuererklärung bei dem für ihren inländischen Wohnsitz zuständigen Finanzamt ab (vergl. §19 Abs. 1 AO).
Quellen:
§ 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 EStG beschränkte Steuerpflicht
§ 1a fiktive unbeschränkte Steuerpflicht bei Angehörigen im EU/EWR-Ausland
§ 32a Abs. 1 S.2 Nr. 1 EStG Grundfreibetrag
§ 50 EStG Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige
§ 2 AStG Wohnsitzwechsel in niedrig besteuerte Gebiete
Artikel 4 Abs. 4 des DBA Schweiz
§ 8 AO / AEAO
§ 19 AO
Stand Februar 2023