Steuerlich als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannte Vereine und Stiftungen kommen in den Genuss zahlreicher steuerlicher Privilegien bis zur vollständigen Steuerbefreiung. Förderer des Vereins können Spenden leisten und diese führen dann in den meisten Fällen bei der Steuererklärung des Gönners zu einer Steuerminderung/Steuerrückerstattung. Der Staat möchte damit gemeinnütziges Engagement fördern. Problematisch ist es, wenn der begünstigte Verein über Jahre liquide Mittel anhäuft und diese damit „parkt“ und nicht zum Wohle der Allgemeinheit verwendet.
Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung (AO), zwingt die gemeinnützigen Institutionen demgemäß dazu ihre Mittel zeitnah zu verwenden. Eine zeitnahe Mittelverwendung war bis zur Verabschiedung des Ehrenamtsstärkungsgesetzes gegeben, wenn die Mittel spätestens bis zum Ende des Folgejahres nach dem Zufluss verwendet werden. Diese Frist, wurde gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO mit Wirkung ab 1.1.2013 auf zwei Jahre verlängert (Artikel 1 Nr. 3 b i.V. Artikel 12 Ehrenamtsstärkungsgesetz).
Tatsächlich hat sich die Finanzverwaltung in den vergangenen Jahren nur wenig oder nur in gravierenden Fällen um diese Regelung gekümmert. Das gleiche gilt für die Vereine. Nach den Änderungen durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz, dass nun-mehr von der Finanzverwaltung eine Satzungsüberprüfung und verbindliche Entscheidungen fordert, hat sich dies geändert. Aktuell werden – nach meinen Erfahrungen – nahezu alle eingereichten Vermögensaufstellungen/Steuererklärungen auch zum Thema „Mittelverwendung“ überprüft. In der Folge erhielten viele Vereine entsprechende Schreiben der Finanzverwaltung mit der Aufforderung sich über die Verwendung der angesammelten Mittel zu äußern. Die Vereinsvorstände waren in vielen Fällen ratlos und auch über die Möglichkeiten zum Umgang mit der Problematik des Mittelverwendungszwangs nicht informiert. Die Finanzverwaltung verlangt – soweit keine befriedigende Rückäußerung erfolgt – eine Verwendung der überschüssigen Mittel innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre. Eine Ignoranz/Nichtbeachtung der Gesetzesvorschriften kann auch zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen. Der Verein sollte in einer liquiditätsorientierten Mittelverwendungsrechnung die Verwendung der überschüssigen Mittel im Anhang zum Jahresabschluss darstellen. Es drängt sich die Frage auf, „Wieviel Geld darf der Verein zurücklegen?“. Diese lässt sich nicht so einfach beantworten und es kommt – wie immer – auf den Einzelfall an.
Nehmen wir einen Beispielfall: Die jährlichen Ausgaben des Vereins belaufen sich in der Summe auf 20.000 €. Die finanziellen Mittel zum 1. 1. des Jahres betragen 55.000 €. Nennenswerte Forderungen oder Verbindlichkeiten bestehen nicht. Damit ist offenbar, dass bei Ausgaben von 20.000 € im Jahr in zwei Jahren 40.000 € an Ausgaben getätigt werden und die vorhanden Mittel von 55.000 € folglich – schon rechnerisch – nicht innerhalb des vorgeschriebenen zweijährigen Mittelverwendungszeitraumes verwendet werden können.
Ein ordentlicher Kaufmann wird erforderliche finanzielle Mittel vorhalten und für geplante außergewöhnliche Ausgaben und Risiken finanzielle Rücklagen bilden. Dieses Recht obliegt auch den Vereinen. Leider wird es – zumindest in den Jahresabschlüssen der Vereine – nicht genutzt oder nicht fixiert. Vereine müssen finanziell immer in der Lage sein ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dies schon deshalb, weil es im Fall eines Verlustes erfahrungsgemäß schwer ist auf die Mitglieder durch Sonderbelastungen zurück-zugreifen. Der Verein wäre dann in seiner Existenz gefährdet. Die Bildung von notwendigen Rücklagen ist für den Vereinsvorstand zwingend. Mit dem Ehrenamtsstärkungsgesetz wurde die Bildung von Rücklagen erleichtert und konkretisiert. Den steuerbegünstigten Körperschaften (Vereine) ist es erlaubt Rücklagen zu bilden, soweit dies zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben erforderlich ist. Mit der Vorschrift des § 62 AO erlaubt der Gesetzgeber ausdrücklich die Bildung von „zweckgebundenen Rücklagen“ sowie einer „freien Rücklage“.
Die Bildung von „zweckgebundenen Rücklagen“ sowie einer „freien Rücklage“ ist unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen möglich.
Freie Rücklage
Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 (bis 2012: § 55 Abs. 1 Nr. 5 in Nr. 7 AO) können jährlich in die freie Rücklage eingestellt werden:
10 % der Bruttoeinnahmen aus dem ideellen Bereich
1/3 des Überschusses aus der Vermögensverwaltung
10 % des Überschusses aus dem Zweckbetrieb
10 % des Überschusses aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
(der nicht Zweckbetrieb ist).
Ist der Höchstbetrag für die Bildung einer freien Rücklage in einem Jahr nicht ausgeschöpft, so kann diese unterbliebene Zuführung in den nächsten zwei Jahren nachgeholt werden.
Hinweis: Die Rücklagenbildung ist rein liquiditätsorientiert. Entsprechend der Beschlüsse des Vereins (Vorstand / Mitgliederversammlung) kann der Ausweis kontenmäßig in der Buchhaltung wie auch zweckmäßigerweise auf separaten Geldkonten erfolgen.
Tipp: Von dieser Regelung sollte grundsätzlich – soweit möglich – Gebrauch gemacht werden, um die Liquiditätsreserven des Vereines zu stärken.
Für die Freie Rücklage besteht kein zeitlich befristeter Mittelverwendungszwang.
Ein entsprechender Ergebnisverwendungsbeschluss sollte in der jeweiligen Mitglieder-/Hauptversammlung nach Ablauf des Vereinsjahres gefasst und protokolliert werden.
Zweckgebundene Rücklagen:
Rücklage für die Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern (ab 1. 1.2013)
Für die Wiederbeschaffung von Wirtschaftsgütern kann gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 eine Rücklage in Höhe der jährlichen Regelabschreibung gebildet werden.
Beispiel:
Die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes: 4.000 €
Wirtschaftliche Nutzungsdauer: 8 Jahre
Rücklage für Ersatzbeschaffung je Jahr: 500 €
Weitere zweckgebundene Rücklagen, soweit erforderlich (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 AO):
Soweit die Tätigkeit des Vereins und die gewissenhafte kaufmännische Vorsorge die Bildung weiterer Rücklagen erfordert, können diese ebenso zweckgebunden gebildet werden. Sinn- und Zweck der Rücklage sollten beschrieben und in den Berichtsunterlagen dokumentiert werden. Wiederkehrende Rücklagen sollten jeweils aufgelöst und neu gebildet werden.
Beispiel: Begründung der Rücklagenbildung
Der Kulturverein XY führt alljährlich eine Kulturveranstaltung durch (Zweckbetrieb) die verschiedene Veranstaltungsrisiken mit sich bringt. Allein bei einem witterungsbedingten Totalausfall ist mit einem Liquiditätsverlust von 20.000 € zu rechnen. Ebenso muss die Veranstaltung vorfinanziert werden. Zur jährlichen Durchführung der Veranstaltung wurde auf der hierzu vorausgegangenen Mitgliederversammlung jeweils eine entsprechende Rücklage gebildet, die nach Ablauf der Veranstaltung wieder aufgelöst wurde.
Praxistipp
- Die Rücklagenbildung (Beschlüsse + Begründung) muss dokumentiert werden.
- Die Rücklagenbildung muss buchhalterisch in der Gewinnverwendung und der Vermögensaufstellung nachvollzogen werden.
- Zum Stand und der Verwendung der Rücklagen sollten alljährlich aktualisierte Beschlüsse getroffen werden.
Zu empfehlen ist grundsätzlich, alljährlich zum festgestellten Jahresergebnis einen Verwendungsbeschluss zu fassen (Vorstand, Mitgliederversammlung) und diesen im Protokoll der Jahresmitgliederversammlung und/oder im Jahresabschluss schriftlich niederzulegen.
Beispiel:
Festgestellter Jahresüberschuss: 15.000 €
Einstellung in die freie Rücklage 1.000 €
Einstellung in die zweckgebundene Rücklage Veranstaltung Folgejahr: 10.000 €
Rechnungsvortrag auf das Folgejahr: 4.000 €
Weitere besondere Regelungen zur Mittelverwendung:
Der mit dem Ehrenamtsstärkungsgesetz neu gefasste § 62 AO sieht zur Ausgliederung von oder zur Beteiligung an steuerbegünstigten Körperschaften die Bildung weiterer Rücklagen vor.
1. Vermögensausstattungsrücklage gem. § 58 Nr. 3 AO (ab 1. 1.2014)
Die Mittelweitergabe an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft – die dem satzungsgemäßen Zweck der eigenen Körperschaft entspricht – ist in Höhe von 15 % der zeitnah zu verwendeten Mittel möglich. In der Praxis wird diese Vorschrift zur Ausgliederung von Zweckbetrieben etc. benötigt.
2. Rücklage zum Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 62 Abs. 1 Nr. 4 AO / ab 1. 1.2014)
Ist das steuerbegünstigte Unternehmen an einem anderen steuerbegünstigten Unternehmen beteiligt, kann es zur Erhaltung seiner prozentualen Kapitalbeteiligung im Falle einer Kapitalerhöhung eine Rücklage bilden. Die Rücklage wird allerdings in voller Höhe auf die freie Rücklage angerechnet.
In der Praxis handelt sich hier um Fälle von Beteiligungen (Beispielsweise an einer gGmbH) und den mit einer notwendigen Kapitalerhöhung verbundenen Problemen.
Auflösung von Rücklagen
Nach § 62 Abs. 2 AO sind Rücklagen unverzüglich aufzulösen, sobald der Grund für die Rücklagenbildung entfallen ist. Die Mittel sind den Mittel zur zeitnahen Mittelverwendung zuzuführen.
Was passiert bei einer nicht rechtzeitigen Mittelverwendung?
Der Mittelverwendungszwang ist zu beachten. Ein Nichtbefolgen kann zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen. Das Finanzamt kann der Körperschaft / dem steuerbegünstigten Verein eine angemessene Frist zur Verwendung setzen (§ 63 Abs. 4 AO).
Hinweis: Steuerlich zulässige Rücklagen im steuerpflichtigen Wirtschaftsbetrieb
Davon unberührt bleibt die Bildung von zulässigen Rücklagen, Rückstellungen, Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen etc., bei der Ermittlung des Gewinnes/Überschusses im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Auch die Nutzung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG steht dem nicht entgegen.
Dieter P. Gonze, Steuerberater
13. 8.2014