Mandanteninformation zur „digitalen Betriebsprüfung“

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Einführung der „digitalen Betriebsprüfung“ und die Konsequenzen für Unternehmer, Selbständige und Freiberufler hieraus

Unter dem Begriff „digitale Betriebsprüfung“ bezeichnet die Fachwelt die – rechtlich abgesicherten – Prüfmethoden der Finanzverwaltung unter Verwendung der vom Steuerpflichtigen gespeicherten Daten und unter Einsatz leistungsfähiger Prüfsoftware. Die Folgen hieraus sind eine erhebliche Vertiefung und Beschleunigung der Betriebsprüfung. Die Betriebsprüfungen in jüngster Zeit lassen deutlich erkennen, dass die Finanzverwaltung nunmehr in der Lage ist, diese neuen Möglichkeiten zu nutzen. Der digitale Datenzugriff ist grundsätzlich nur bei Außenprüfungen zulässig. Dies können reguläre Betriebsprüfungen, Umsatzsteuersonderprüfungen, Lohnsteuerprüfungen oder Außenprüfungen zur Investitionszulage sein. 

Rechtliche Grundlagen –  Was darf der Prüfer?

Der § 147 Abgabenordnung (AO) enthält Vorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflichten sind Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten und von Unternehmern, Selbständigen und Freiberuflern zu beachten. Mit Wirkung zum 01.01.2002 wurde diese Vorschrift  § 147 Abs. 6 AO um besondere Rechte der Finanzverwaltung und zusätzliche Pflichten des Steuerpflichtigen zur Aufbewahrung digital gespeicherter Buchführungsunterlagen (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO) erweitert.

Wurden die aufzubewahrenden Belege (Buchhaltungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Buchungsbelege, steuerlich relevante Korrespondenz etc.) mit Hilfe der EDV erstellt, so hat die Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung nachfolgende Rechte:

  1. Die Finanzverwaltung hat das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das EDV-System des Steuerpflichtigen zur Prüfung dieser Daten zu nutzen. Bei dieser Prüfmethode spricht die Fachwelt von dem so genannten „unmittelbaren Datenzugriff“.
  2. Die Finanzverwaltung kann von dem zu Prüfenden die Auswertung der gespeicherten Daten nach den Vorgaben der Finanzverwaltung verlangen. Bei dieser Prüfmethode spricht die Fachwelt von dem so genannten „mittelbaren Datenzugriff“.
  3. Die Finanzverwaltung kann von dem zu Prüfenden verlangen, dass dieser die Daten auf einem Datenträger (CD) der Finanzverwaltung zur Auswertung zur Verfügung stellt. Bei dieser Prüfmethode spricht die Fachwelt von der so genannten „Datenträgerüberlassung“.

Die Mehrkosten die dem Steuerpflichtigen durch die digitale Betriebsprüfung entstehen, sind von diesem zu tragen (§ 147 Abs. 6 S. 3 AO). Darüber hinaus ist der Steuerpflichtige gem. § 200 AO verpflichtet den Prüfer bei seiner Arbeit behilflich zu sein.

Der digitale Zugriff auf die Daten ist nur im Rahmen einer betrieblichen Außenprüfung zulässig. Der früheste Zeitpunkt ist folglich nach dem Beginn der Betriebsprüfung. Einige Finanzbehörden fordern bereits vor dem Beginn der Betriebsprüfung von den Steuerpflichtigen digitale Daten an. Dies ist aus Sicht des Steuerpflichtigen strikt abzulehnen, da er hier in seinen Rechten benachteiligt wird. Der digitale Zugriff ist auf die Daten des Prüfungszeitraums und den Umfang der Prüfungsanordnung beschränkt. Eine nachträgliche Erstellung von digital auswertbaren Daten für Zeiträume die vor dem 01.01.2002 liegen, ist nicht erforderlich, soweit dies einen nicht vertretbaren Mehraufwand erfordert.

Rechte, Pflichten und Praxiserkenntnisse aus den unterschiedlichen Prüfmethoden:

Es liegt im freien Ermessen des Prüfers welche Prüfmethoden er anwendet. Auch die Nutzung der verschiedenen Prüfmethoden nebeneinander ist hier uneingeschränkt zulässig.

1.      Der unmittelbare Datenzugriff

Der Prüfer hat das Recht die Software des Steuerpflichtigen mit all ihren Funktionen zu nutzen. Je leistungsfähiger die Buchhaltungs- / Bilanzierungssoftware ist, je mehr Auswertungs- und Prüfmöglichkeiten sie besitzt, desto schneller und erfolgreicher wird der Prüfer vorankommen. Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet den Prüfer über den Funktionsumfang seiner Software zu informieren, diesbezügliche konkrete Fragen muss er jedoch beantworten.

Dem Prüfer ist der Zutritt zu dem genutzten EDV-System zu gewähren. Dies egal, ob die Buchhaltung im Unternehmen, beim Steuerberater oder einem Rechenzentrum geführt wird. Der Unternehmer ist hier verpflichtet, durch entsprechende vertragliche Regelungen, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Datenzugriff ermöglicht wird. Auch die Hilfe und Einweisung im zumutbaren Umfang in die vom Unternehmen genutzte Software ist dem Prüfer zu gewähren.

Der Prüfer ist allerdings nicht berechtigt eigene Programme auf dem EDV-System des Steuerpflichtigen zu installieren oder die Daten zu verändern. Hier könnte es in der Praxis schnell zu Streitigkeiten kommen.

Mit gängigen Softwaresystemen wie DATEV, Lexware, KHK etc. werden die Prüfer in Zukunft umzugehen wissen. Dennoch wurde diese Prüfmethode in der bisherigen Praxis nur im geringen Umfang genutzt. Der Prüfer wird diese Methode nur zur Klärung eines konkreten Einzelsachverhaltes nutzen wollen und sich lieber auf den Einsatz seiner – von ihm beherrschten – Prüfsoftware beschränken.

2.      Der mittelbare Datenzugriff

Der Prüfer kann vom Steuerpflichtigen die Erstellung der von ihm gewünschten Auswertungen verlangen soweit die Software dies so vorsieht. Der Prüfer braucht sich bei dieser Methode nicht besonders mit der vom Steuerpflichtigen eingesetzten Software zu beschäftigen, sondern fordert einfach die von ihm zur Prüfung gewünschten Auswertungen an. Diese Prüfmethoden werden erfahrungsgemäß nur ergänzend eingesetzt, soweit der Prüfer hier über keine anderen Möglichkeiten verfügt.

3.      Die Datenträgerüberlassung

Nach § 147 Abs. 6 Satz 2 der AO kann die Finanzverwaltung die Zurverfügungstellung eines maschinell verwertbaren Datenträgers verlangen. Dies ist auch bei den aktuellen Betriebsprüfungen regelmäßig der Fall. Damit ist die Datenträgerüberlassung in der Praxis die am meisten angewendete Prüfungsmethode. Der Steuerpflichtige ist verpflichtet einen Datenträger mit den steuerlich relevanten Daten in einer normierten Form zu überlassen. Das Aufzeichnungsformat ist offen zu legen und muss den hierzu festgelegten Normen (BMF-Schreiben v. 16. 7.2001) entsprechen.

Die Prüfer der Finanzverwaltung stellen ihre Laptops bzw. ihre Prüfsoftware (win-idea) auf den Datenträger ein und können somit mit der Analyse dieser Daten sofort nach Beginn der Betriebsprüfung starten.

Der Vorteil für den Prüfer bei dieser Prüfungsmethode liegt in dem Einsatz der eigenen Prüfsoftware. Die Prüfsoftware verfügt über einen umfassenden und ständig weiterentwickelten Prüfungskatalog, der Ergebnisse aus einer maschinellen Plausibilisierung der Daten liefert.

Beispiele:

  1. Automatische Mehrfachbelegungs- und Lückenanalyse. Suche nach Doppelbuchungen (Rechnungsnummer, Beleg-Nr., Kto-Auszüge etc.)
  2. Untersuchung der Barzahlungsvorgänge ab einem vorzugebenden Betrag
  3. Abgleich Wareneinkauf / Verkauf: Wurde alles verkauft? Stimmt der Lagerbestand? Kontenabgleich: Wurden pauschal versteuerte Löhne unterschiedlicher Personen auf das gleiche Girokonto überwiesen?
  4. Überprüfung der Bewertung und der Bestände des Lagers und der unfertigen Leistungen durch Altersstrukturanalysen, Ermittlung von Gemeinkostensätzen und –Zuschlägen, Ermittlung von Umschlaghäufigkeiten etc.
  5. Überprüfung der Rechnungsabgrenzungen durch Vergleich von Buchungs- und Belegdatum
  6. Plausibilisierung / Datenabgleich der Daten unterschiedlicher Softwaresystemen (Anlagenbuchhaltung / Lagerbuchhaltung / Warenwirtschaftssystem etc. mit den Daten der Finanzbuchhaltung)
  7. Extraktion: Mit der Funktion der Extraktion werden gezielt Datenanalysen vollzogen, die dann zu Listen führen, deren Vorgänge im Rahmen einer Einzelprüfung genau betrachtet werden können

Beispiele:

  • Auflistung aller Belege der Buchhaltung um das Datum der Geburtstage oder Ehrentage des Steuerpflichtigen und seiner Angehörigen anzeigen zu lassen.
  • Auflistung aller Belege vor und nach dem Bilanzstichtag, die für eine periodengerechte Abgrenzung (Inventur, unfertige Leistungen, Warenbestände etc.) von Bedeutung sind.
  1. Weitere Funktionen, Verfahren und Datentest nach üblichen Prüfmethoden wie Altersstrukturanalysen, Benford´s Law, Chi-Quadrat-Test etc. um Ungereimtheiten und Auffälligkeiten zu erkennen
  2. Einsatz weiterer Prüfmakros zur Suche nach Datensätze mit bestimmten Wörtern  oder Texten

Hier ist mit einer weiteren Professionalisierung der Prüfmethoden und Vorgehensweise seitens der Finanzverwaltung zu rechnen.

Welche Daten unterliegen dem Zugriff des Prüfers?

Der digitalen Betriebsprüfung unterliegen nachfolgende Daten soweit diese digital erzeugt wurden:

  • Finanzbuchhaltung
  • Anlagenbuchhaltung
  • Lohnbuchhaltung
  • Kosten- und Leistungsrechnung, soweit für die Bewertung / Bilanzansätze relevant
  • Geschäftsbriefe und andere steuerlich relevante Daten und Informationen (Beispiel E-Mails!)

Darüber hinaus darf der Betriebsprüfer nachfolgende Bereiche einsehen, soweit diese steuerlich relevante Daten enthalten: Warenwirtschaftssysteme, Kassensysteme, elektronische Zeiterfassungssysteme von Mitarbeitern u.a..

Es besteht kein Einsichtrecht des Betriebsprüfers in folgende Unterlagen:

  • Korrespondenz des Steuerpflichtigen mit seinem Steuerberater oder Rechtsanwalt
  • In das unternehmerische Berichtswesen / Controlling

Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 16.07.2001 die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) festgelegt.

Archivierungspflichten des Unternehmers und Anforderungen an die Prüf-CD

Umfassende Erfahrungen aus den Anforderungen an die Auswertbarkeit der digital gespeicherten Daten liegen noch nicht vor. Klar ist, dass der Unternehmer neben den Daten auch die Software vorhalten muss, um diese Daten wieder zu reproduzieren. Gerade bei Systemumstellungen kann dies Probleme bereiten. Die alte Software muss also auf einem System weiter lauffähig gehalten werden. Wichtig ist, dass eine Prüf-CD, in dem von der Finanzverwaltung festgelegten Format, vorgelegt werden kann.

Soweit alle maschinellen Auswertungen auch aus vorgelegten Papierausdrucken erfolgen können, ist bisher mit keinen strengen Sanktionen zu rechnen. Eine Steuerschätzung ist in jedem Fall nicht möglich, da die zur Besteuerung relevanten Daten aus den vorgelegten Ausdrucken und Belegen ermittelt werden können.

Konsequenzen und Handlungsempfehlungen für den Unternehmer, Selbständigen und Freiberufler:

Obwohl die erweiterten Prüfungsbefugnisse bereits seit dem 01.01.2002 gelten, ist die Finanzverwaltung erst seit einigen Jahren organisatorisch in der Lage, diese Rechte auch zu ihrem Vorteil zu nutzen. Es wäre fatal, wenn sich der Unternehmer nicht auf die neuen professionellen Methoden der Steuerprüfung einstellen würde und davon ausgeht, dass alles so läuft wie in den früheren Jahren. Insbesondere vom Unternehmer selbst geführte – und nicht von einem Steuerberater zeitnah geprüfte – Buchhaltungen können hier unübersehbare Risiken bergen. Der Steuerberater wird diese Buchhaltung im Rahmen der Abschlusserstellung höchstens stichprobenweise prüfen können.  Er wird nicht annähernd soviel Zeit wie der spätere Betriebsprüfer verwenden können, um hier Schwachstellen zu erkennen.

Handlungsempfehlungen:

  • Jeder selbstbuchende Steuerpflichtige sollte sein EDV-System an die neuen Anforderungen und Erkenntnisse der Betriebsprüfung anpassen.
  • Soweit die Buchhaltung nicht bei einem Steuerberater erfolgt, sollte das Datensystem an die Anforderungen der Betriebsprüfung angepasst werden. Der selbstbuchende Steuerpflichtige sollte einen Arbeitsplatz/PC einrichten, mit dem nur ein Zugriff auf steuerlich relevante Daten und nicht auf „Alles“ möglich ist. Die Ablage der Daten und Programme sollte in steuerlich notwendig und steuerlich nicht notwendig unterschieden werden. Im Zweifel helfen hierbei der Steuerberater und das betreuende Softwareunternehmen.
  • Jeder selbstbuchende Steuerpflichtige sollte prüfen, ob die von ihm geführte Buchhaltung den Anforderungen ordnungsgemäßer Buchhaltungen entspricht und es nicht sinnvoll ist die Buchhaltung zeitnah durch einen Steuerberater prüfen bzw. betreuen zu lassen.
  • Es sollte grundsätzlich für jedes Wirtschaftsjahr eine Prüf-CD erstellt und aufbewahrt werden, unabhängig davon ob überhaupt mit einer Betriebsprüfung zu rechnen ist.
  • Die Prüfer-CD sollte unter Nutzung von Prüfungsprogrammen plausibilisiert werden. Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten sind dann leicht und frühzeitig zu erkennen und können damit bereits jetzt schlüssig erklärt und dokumentiert werden. Jede größere Steuerkanzlei wird eine solche Software zum Schutze ihrer Mandanten zukünftig einsetzen und damit einen entsprechenden Auftrag ausführen.
  • Für die vergangenen Jahre sollte solch ein Prüfcheck vor Beginn der nächsten Betriebsprüfung erfolgen um Überraschungen zu vermeiden. Es ist immer besser, die anstehenden Problembereiche und finanziellen Risiken einer Betriebsprüfung zu erkennen, als vom Ergebnis einer Betriebsprüfung überrascht zu werden.
  • Bei Anordnung einer Betriebsprüfung, sollte der Datenträger (Prüf-CD) der Finanzverwaltung erst nach Beginn der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellt werden. Mit einer vorab Zusendung der Prüf-CD an den Prüfer wird u.U. der Beginn der Prüfung vorverlegt. Der Prüfer kann bereits im Amt mit seinen Prüfungshandlungen beginnen. Damit wird der tatsächliche Prüfungszeitraum u.U. verlängert und der Steuerpflichtige wird u.U. rechtlich schlechter gestellt.

Spätestens nach Erhalt der Prüfungsanordnung sollte die Daten-CD vom Mandanten bzw. Steuerberater geprüft werden. Man kann sich auf zu erwartende Fragen und Problembereiche besser vorbereiten.

Sprechen Sie mit Ihrem Berater hierüber.

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