Unternehmer können Lieferungen an Unternehmer innerhalb der EU (§ 6a UStG) und im übrigen Ausland (§ 6 UStG) umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 1 a UStG), erbringen. Voraussetzung hierfür ist, dass der leistende Unternehmer den belegmäßigen Nachweis der Ausfuhr lückenlos erbringt. Die gesetzlichen Anforderungen hieran waren bereits in der Vergangenheit sehr hoch (§§ 9, 10, 11, 13, 17, 17a, 17b, 17c UStDV) und boten insbesondere bei umsatzsteuerlichen Betriebsprüfungen ein erhebliches Konfliktpotential. Nicht selten stellte die Betriebsprüfung den Unternehmer voreilig unter den Generalverdacht der Mitwirkung bei der umsatzsteuerlichen Steuerhinterziehung. Die Folgen sind bereits – ohne strafrechtliche Würdigung der Vorgänge – fatal. Die Nachforderung von 19 % Umsatzsteuer nebst Zinsen auf nicht belegbare Ausfuhrumsätze stellt für Unternehmer, die umfassend Exportgeschäfte tätigen, auch ein existenzielles Risiko dar.
Im Rahmen der „Zweiten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen“ vom 02.12.2011 (BGBL I 2011 S- 2416) wurden die beleg- und buchmäßigen Nachweispflichten für Auslandslieferung deutlich verschärft. Die neuen Regelungen gelten dem Grund nach bereits ab 01.01.2012, auch wenn das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 06.02.2012 (BMF v. 06.02.2012 IV D 3 – S 7141/11/10003) ausgeführt hat, dass es bis zum 30.06.2012 nicht zu beanstanden ist, wenn nur die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung bei Lieferungen innerhalb der EU nach der Rechtslage bis zum 31.12.2012 erfüllt sind. Für Ausfuhrlieferungen außerhalb der EU sind die neuen Regelungen bereits ab 01.04.2012 zu erfüllen (vergl. BMF-Schreiben v. 09.12.2011 IV D 3 – S 7141/11/10003).
Buch- und belegmäßiger Nachweis bei Ausfuhrlieferungen in Drittländer (Nicht-EU-Staaten):
(vergl. §§ 9 bis 13 UStDV)
Der Regelnachweis für Lieferungen in das Drittlandsgebiet erfolgt mit der elektronischen Ausfuhranmeldung (ATLAS-Ausfuhr: www.zoll-service.eu). Soweit die Anmeldung zwar elektronisch erfolgte, aber durch die Ausgangszollstelle nicht elektronisch abgeschlossen wurde (aus welchen Gründen auch immer), ist ein anderer Auslieferungsnachweis der Ausgangszollstelle in Papierform vorzulegen. Diese Regelung gilt auch für Versendungsfälle (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV).
Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen ist zusätzlich – soweit die Ausfuhr nicht mittels eines Ausfuhrkennzeichen (Zollkennzeichen) erfolgte – die Angabe der Fahrzeug-Identifikationsnummer im Ausfuhrbeleg und als Buchnachweisaufzeichnung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) erforderlich und darüber hinaus eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland vorzulegen.
Buch- und belegmäßiger Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (EU):
(§§ 4 Nr. 1 b, 6a UStDV)
Die Verschärfung der neuen Vorschriften besteht unter anderem darin, dass es nunmehr nicht mehr reicht, den Nachweis der geplanten Ausfuhr zur erbringen, sondern in Form einer „Gelangensbestätigung“ die Verbringung des Gegenstandes in das Drittland nachzuweisen ist (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV). Auch sind bisherige Handlungsempfehlungen zum belegmäßigen Nachweis der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung nunmehr als zwingend zu interpretieren. Bislang mussten Unternehmen, die Waren innerhalb der Europäischen Union (EU) verkaufen, keine Umsatzsteuer auf der Rechnung ausweisen. Die Produkte mussten dafür an ein anderes Unternehmen geliefert werden, eine Landesgrenze in der EU überschreiten und die Unternehmer mussten dies per Lieferschein, Versendungsbeleg oder Frachtbrief nachweisen. Dieser Nachweis soll nunmehr durch einen einzigen Beleg, der Gelangensbestätigung, ersetzt werden, die vom Unternehmer auszufüllen und vom Empfänger der Lieferung zu bestätigen ist.
Nach dem Gesetzeswortlaut hat die Gelangensbestätigung folgende Informationen zu enthalten (§ 17a Abs. 2 UStDV)
- Bestätigung des Abnehmers gegenüber dem Unternehmer oder dem mit der Beförderung beauftragten selbständigen Dritten, das der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist (Gelangensbestätigung).
- Namen und Anschrift des Abnehmers,
- die Menge des Gegenstands der Lieferung und die handelsübliche Bezeichnung einschließlich der Fahrzeug-Identifikationsnummer bei Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 des Gesetzes,
- im Fall der Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer oder im Fall der Versendung durch den Abnehmer den Ort und Tag des Erhalts des Gegenstands im übrigen Gemeinschaftsgebiet und im Fall der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer den Ort und Tag des Endes der Beförderung des Gegenstands im übrigen Gemeinschaftsgebiet,
- das Ausstellungsdatum der Bestätigung sowie
- die Unterschrift des Abnehmers oder Vertretungsberechtigten (Name auch in Druckschrift anführen).
Versender und Spediteure sollte demgemäß dem Empfänger der Lieferung ein bereits vorausgefülltes Formular in deutscher Sprache und in der Landessprache des Empfängers vorlegen und von diesem die Unterschrift verlangen. Das es hierbei in der Praxis für Versender und Spediteure zu Problemen kommen kann, ist damit bereits vorprogrammiert. Versender und Spediteur sollten deshalb Ihre EU-Auslandskunden über das Formular und die zwingend erforderliche Unterschrift informieren, um den Ärger in Grenzen zu halten. Denkbar ist auch eine elektronische Übermittlung einer vorausgefüllten „Gelangensbestätigung“, die dann auf gleichem Wege vom Empfänger der Lieferung zurück übermittelt werden kann.
Die Gelangensbestätigung soll die bisherigen Nachweise ersetzen. Es ist anzuraten, die bisherigen Nachweise auf jeden Fall weiterzuführen, bis die Gelangensbestätigung sich durchgesetzt hat oder vielleicht vom Gesetzgeber wieder abgeschafft wurde. Für Unternehmer, die innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei erbringen, sind folgende Punkte zu beachten:
- Klärung der Unternehmereigenschaft: Abfrage und Überprüfung der Umsatzsteuer-ID-Nummer des ausländischen Unternehmers (www.bzst.de) – Hinweis: Vorher keine Auslieferung zu empfehlen!
- Nachweis zum Unternehmen: Beschaffung von Informationen zum Unternehmer im Ausland aus der die genaue Firma und die handlungsberechtigten Personen erkenntlich sind.
- Vollmacht für den Abholer: Soweit die Ware abgeholt wird, ist eine Vollmacht des Unternehmens für den Abholer vorzulegen.
- Überprüfung der Identität des Abholers: Es ist eine Kopie des Ausweises des Abholers anzufertigen und aufzubewahren.
- Korrekte Rechnungsstellung: Neben den sonstigen Pflichtangaben muss die Rechnung zusätzlich (§ 14 a UStG) die deutsche USt-IDNr des Rechnungsausstellers, die ausländische USt-IDNr. des Rechnungsempfängers und einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung (Beispiel: „steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung“) enthalten.
- Gelangensbestätigung: Beschaffung und Vorlage einer Gelangensbestätigung (§17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV) zwingend ab 01.07.2012
TIPP: Im konkreten Streitfall mit der Finanzverwaltung muss nicht mangels exakter Einhaltung der Normen gleich aufgegeben werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits mehrfach entschieden (BFH V R 23/08 v. 28.05.2009), dass es sich beim gesetzlich vorgeschriebenen buch- und belegmäßigen Nachweis nicht um die materiell rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung handelt und im Einzelfall auch andere Nachweise hierfür geeignet sein können und dies ggf. eine richterliche Würdigung erfordert. Der Streit hierüber kostet, abgesehen vom ungewissen Ausgang, jedoch erfahrungsgemäß immer viel Zeit, Energie, Steuerberaterkosten und sollte deshalb vorsorglich vermieden werden. Die Vorlage der Gelangensbestätigung ist jedoch in allen Fällen zukünftig zwingend erforderlich.
Hinweis: die Bereitstellung von mehrsprachigen Mustervordrucken für die Gelangensbestätigung durch das Bundesfinanzministerium wird erwartet und kann dann auf der Homepage www.ihk.de heruntergeladen werden. Praktische Hinweise zum Thema sind ebenso auf den Homepages der Industrie- und Handelskammern zu finden.
6. 3.2012
Dieter P. Gonze, Stb.