Steuererklärung selbst erstellen / Servicestelle des Finanzamtes?

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Die überwiegende Zahl der Privatpersonen (Arbeitnehmer, Rentner etc.) erstellt ihre Einkommensteuererklärung selbst und nutzt nicht die professionelle Hilfe eines Steuerberaters oder Lohnsteuerhilfevereines. Viele Bürger, insbesondere Arbeitnehmer, die nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sind, verzichten sogar auf die Geltendmachung ihrer berechtigten Steuererstattungsansprüche.

Nachstehende Ausführungen befassen sich mit der Frage ob sich es lohnt die Steuererklärung mit Hilfe einer gängigen PC-Software, mit dem Finanzamtsprogramm ELSTER oder auch mit Hilfe der Servicestellen der Finanzverwaltung selbst zu erstellen.

1. Vorteile (gegenüber der Hilfeleistung durch einen Steuerberater/Lohnsteuerhilfeverein)

  • Kostenersparnis (Steuerberater im Schnitt 450 € / Lohnsteuerhilfeverein 150 €)
  • Kein Termin nötig – Freie Zeitplanung
  • Von zu Hause aus / alle Belege im Umfeld

 

2. Nachteile (gegenüber der Hilfeleistung durch einen Steuerberater / Lohnsteuerhilfeverein)

Keine individuelle steuerrechtliche Würdigung und Erfassung des Lebenssachverhaltes des Steuerpflichtigen (rein schematische Einordnung). Der Mensch, ein Steuerberater, kann dank der Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns, in sekundenschnelle einen ihm geschilderten Lebenssachverhalt steuerrechtlich würdigeneinordnen und die Konsequenzen hieraus ziehen. Einem Computerprogramm würde dies, selbst nach hunderten, tausenden Abfragen, nicht gelingen. Noch so gute und ausgefeilte Programme würden den Nutzer letztlich ermüden (Vielzahl der Abfragen) und zu viel Zeit benötigen. Die aufwendigen professionellen und tausende von Euros kostenden Programme der Steuerberater (z.B. DATEV) oder Lohnsteuerhilfevereine (z.B. Steuersoft) dienen in erster Linie der Qualitätssicherung, Fehlervermeidung und Plausibilisierung der Arbeit des Beraters.

Folgen: Steuervergünstigungen oder alternative Gestaltungsmöglichkeiten werden nicht erkannt.

Beispielfall: Unterhaltsleistungen an Elternteil (§ 33a EStG = Höchstbetrag / Einkünftekürzung, § 33 EStG = zumutbare Eigenbelastung/§ 35a EStG = haushaltsnahe Dienstleistung (max. 20%/4.000 € = Drei unterschiedliche Gesetzesvorschriften für ein Lebenssachverhalt!)

· Keine Hilfe bei Durchsetzungsproblemen: Der Laie ist dem Fachmann, hier dem Finanzbeamten, praktisch ausgeliefert. Lehnt der Finanzbeamte den vom Bürger mit seinem Programm gestellten Anspruch ab, so kann sich der Bürger als Laie nicht auf „Augenhöhe“ = rechtlich fundiert, wehren. In der Praxis wird ihm die Kürzung seines Anspruchs meist nicht einmal bewusst, bzw. wird von ihm nicht erkannt.

· Keinen Schadensersatzanspruch bei Fehlern:

Fehler bei Erstellung der Steuererklärung (Beispiel: steuerfreie Einkünfte werden als steuerpflichtig erklärt, wie Krankengeld etc., Abzugspauschalen werden mangels Kenntnis nicht genutzt) oder im Rahmen der Steuerbescheidprüfung werden vom Steuerpflichtigen Fehler mangels Fachkunde nicht oder zu spät erkannt.

Rechtsansprüche wegen Schlechtleistung bestehen nur bei einer Arbeitsdurchführung durch die Angehörigen der steuerberatenden Berufe wie Steuerberater und Lohnsteuerhilfevereine, die hierfür eine gesetzlich vorgeschriebene Vermögenshaftpflichtversicherung vorhalten müssen.

3. Fazit:

  • Eine vom Bürger selbst erstellte Steuererklärung muss nicht zwangsläufig zu einem finanziell schlechteren Ergebnis führen, als bei Inanspruchnahme professioneller Hilfe.
  • Nachteilig ist die fehlende Sicherheit, ob überhaupt alle Steuerminderungsansprüche geltend gemacht wurden.
  • Nachteilig gegen über einer selbst oder mit Hilfe der Servicestelle des Finanzamtes erstellten Steuererklärung ist der fehlende Haftungsanspruch bei Schlechtberatung.
  • Nachteilig ist die fehlende fachliche Unterstützung bei der Überprüfung des Steuerbescheides.
  • Erfahrungsgemäß steigt das Risiko eines finanziellen Nachteils mit der Höhe des Einkommens und der Steuerbelastung. Bei einem Steuersatz (Grenzsteuersatz) von 18% beträgt beispielsweise der Nachteil von 1.000 € nicht beantragter Werbungskosten = 180 €, bei einem Steuersatz von 45 % (42 % + Soli), geht es bereits um 450 €. Im letzteren Fall wären die anfallenden Steuerberatungskosten (Bsp. Mitgliedsbeitrag Lohnsteuerhilfeverein) bereits abgedeckt.
  • Wer über seine Ansprüche auf Steuerminimierung in tatsächlicher Höhe informiert sein möchte, wird die Hilfe eines Steuerberaters / Lohnsteuerhilfevereines nutzen.

Für Arbeitnehmer bietet der Lohnsteuerhilfeverein die professionelle und preiswerte Variante (Anspruch auf ganzjährige kostenlose Beratung gegen Zahlung eines einkommensabhängigen Mitgliedsbeitrages).

4. Tipp:

Entscheidet sich der Steuerpflichtige für die Hilfe durch einen Steuerberater/Lohnsteuerhilfeverein, sollte vorab geklärt werden, ob die Beratung im Gespräch mit Direktverarbeitung der Belege und Präsentation des steuerlichen Ergebnisses stattfindet. Einfach Belege abgeben und dann unverständliche Auswertungen per Post zu erhalten (gehört zur Vergangenheit), bietet keinen Beratungsvorteil und führt zum Risiko einer Fehlberatung.

5. Alternative: Kostenlose Servicestelle der Finanzverwaltung?

Die Finanzverwaltung bietet unter der Überschrift „Kundenorientierte Dienstleistung der Finanzverwaltung“ neben dem kostenlosen Programm ELSTER, Servicestellen in der Finanzverwaltung an, die dem Bürger ermöglichen, persönlich mit dem Steuerbeamten seine Steuererklärung zu verarbeiten / zu besprechen.

Tatsächlich handelt es sich bei der Finanzbehörde um eine Steuererhebungsbehörde, deren Mitarbeiter ausschließlich geschult wurden, die vom Bürger gestellten Ansprüche auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Ein Schulung „Welche Ansprüche könnten noch gestellt werden oder gibt es Gestaltungsalternative?“ findet nicht statt und wäre auch dem Behördenzweck nicht zugänglich. Auch Streitigkeiten im Rahmen der „Servicestellen“ kommen erfahrungsgemäß selten vor. Der Bürger legt seine Belege vor, beantwortet die Fragen des Beamten und dieser entscheidet wie diese Daten und Informationen weiter verarbeitet werden. Es findet keine Beratung statt und es bestehen keinerlei Haftungsansprüche seitens des Bürgers bei Schlechtberatung durch die Servicestelle des Finanzamtes.

Insoweit ist das Finanzamt, um gerade gegen diese Behörde auf Augenhöhe seine Rechte durchzusetzen, die schlechteste Adresse.

12.5.2015

Dieter P. Gonze

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