Steuertipps für Freiberufler, Unternehmer und Unternehmen: Kluges Handeln vor dem Jahreswechsel

Checkliste zum Jahreswechsel

Für das Jahr 2023 gilt es zu überprüfen, ob durch geschickte und gezielte Gestaltungsmaßnahmen Steuern minimiert oder optimiert werden können. Hierzu besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten und es kommt wie immer auf den Einzelfall an, ob die eine oder die andere Maßnahme sinnvoll ist.

Hier eine – sicher nicht vollständige – Übersicht über die wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten/Über­legungen aus der Sicht von Freiberuflern und Unternehmern:

Gründung eines Unternehmens

Ist die Gründung eines Unternehmens beabsichtigt, so bedarf es auch hier einer Vielzahl von Überlegungen und Abwägungen in Bezug auf den Zeitpunkt. Hier kann eine Gründung noch im alten Jahr oder aber erst im Folgejahr im Einzelfall von Vorteil sein. Die Unternehmensgründung mit Anlaufverlusten im ersten Jahr (Beispiel: Ankauf von Waren bei Einnahmen-/Ausgabenrech­nung, Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags für in den folgenden Jahren geplante Investitionen) kann zur Verrechnung mit steuerpflichtigen Einkünften aus der bisherigen Tätigkeit im gleichen Jahr sehr vorteilhaft sein. War der Gründer bisher Arbeitnehmer und hat im Jahr 2023 eine hohe Arbeitnehmerabfindung erhalten, so führt der steuerliche Verlust aus der Unternehmensgründung im Jahr 2023 zwangsläufig zu einer günstigeren Besteuerung der Arbeitnehmerabfindung nach der Fünftelregelung. Mit Blick auf die Möglichkeiten des Investitionsabzugsbetrags ist ebenfalls zu prüfen, wann die Gründung erfolgen sollte. Durch zielorientierte Handlungen können hier tatsächlich einige Tausend Euro an Steuern gespart werden.

Betriebsaufgabe im alten oder im neuen Jahr?

Es geht zum einen um die Ausnutzung des Freibetrags (§ 16 Abs. 4 EStG) und zum anderen um die Nutzung eines möglichst niedrigen Grenzsteuersatzes zur Anwendung der Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG). Hier kann eine Verschiebung in ein anderes Wirtschaftsjahr oder auch eine Aufteilung in zwei Teilbetriebsveräußerungen (erst das Grundstück, dann der Betrieb u.a.) von Vorteil sein. Dies ist im Detail zu prüfen.

Wichtig:
Soweit es im Jahr 2023 zu einer ermäßigten Besteuerung kommt (Fünftelregelung), sollte geprüft werden, ob durch Sonderzahlungen (Spenden, Versicherungen etc.) der Grenzsteuersatz gesenkt und damit die gesamte Steuerlast optimiert werden kann. Hier sollte kurz vor Jahresende eine steuerliche Hochrechnung erfolgen, um eine optimale Lösung zu erzielen.

Wechsel der Gewinnermittlungsart möglich?

Zum Jahreswechsel sollte geprüft werden, ob ein Wahlrecht zum Wechsel der Gewinnermittlungsart besteht und dieses vorteilhaft ausgeübt werden kann. Es geht um die Frage, ob es für Unternehmer/Freiberufler, die ihren Gewinn durch Erstellung einer Einnahmen-/Ausgaben­rech­nung ermitteln, von Vorteil ist, die Gewinne durch Betriebsvermögensvergleich, d.h. durch frei­willige Aufstellung einer Bilanz, zu ermitteln. Ebenso kann es für Unternehmer, die bisher ihren Gewinn im Rahmen der Bilanzierung ermitteln, von Vorteil sein, zur Einnahmen-/Ausgabenrech­nung zu wechseln. Per Saldo können hier im Jahr des Wechsels der Gewinnermittlungsart erhebliche steuerliche Vorteile realisiert werden. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart ist jedoch auch betriebswirtschaftlich zu durchdenken. Dies sollte individuell geprüft werden.

Folgende steuerliche Unterschiede in Bezug auf die Gewinnermittlungsart sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den konkreten Einzelfall abzuprüfen:

1.  Besteuerung nach dem Zufluss-/Abflussprinzip. Eine Besteuerung findet i.d.R. erst zum Zeitpunkt des Geldflusses statt. Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung kann im Einzelfall ertragsteu­er­lich von erheblicher Bedeutung sein.

2. Grenze zur Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags in Höhe von 200.000 € Gewinn.

3. Voraussetzung zur günstigeren Besteuerung für im Unternehmen verbleibendes Kapital (Thesaurierungsbegünstigung mit 28,25 %) ist die Bilanzierung (vgl. § 34a EStG). Soweit die Gewinnermittlung im Rahmen einer Einnahmen-/Ausgabenrechnung erfolgt, gilt das Zufluss-/
Abfluss­prinzip 
und bereits durch die Verlagerung von Zahlungen kann Einfluss auf das Jahres­ergebnis 2023 genommen werden.

Anschaffung/Herstellung von Wirtschaftsgütern im alten oder im neuen Jahr?

Die Frage, ob aus steuerlicher Sicht Wirtschaftsgüter noch im alten oder erst im neuen Jahr angeschafft werden sollen, ist von den steuerlichen Verhältnissen im Einzelfall abhängig und nicht pauschal zu entscheiden. Geringwertige Wirtschaftsgüter bis zu einem Anschaffungspreis von 1.000 € netto sind steuerlich noch in voller Höhe sofort absetzbar, soweit die Anschaffung noch in diesem Jahr erfolgt.

Investitionsabzugsbetrag

FürAnschaffungen, die im Jahr 2023, 2024 oder 2025 geplant sind, kann bereits im Jahr 2023 der Investitionsabzugsbetrag (50 % des Nettoinvestitionsbetrags) in Anspruch genommen werden, soweit die sonstigen Bedingungen der Förderung (gem. § 7g EStG) erfüllt sind. Der Investitionsabzugsbetrag wird auch für die Anschaffung gebrauchter Wirtschaftsgüter gewährt.

Wichtig:
Die Investitionsfristen wurden im Rahmen des vierten Corona Steuerhilfegesetzes nochmals verlängert. Die Frist für Investitionsabzugsbeträge, deren dreijährige oder bereits verlängerten Investitionsfristen in 2023 enden, werden um ein weiteres Jahr auf vier, fünf oder sechs Jahre verlängert.

Darüber hinaus kann die 20%ige Sonderabschreibung für kleine und mittelständische Betriebe für Anschaffungen auch dann in Anspruch genommen werden, wenn vorher kein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen wurde. Insoweit ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Anschaffung im Jahr 2023 nicht vorteilhafter ist.

Wie hoch ist das Eigenkapital des Unternehmens am 31.12.2023?

Für bilanzierende Unternehmer kann die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens von besonderer Bedeutung sein. Ein negatives Eigenkapital führt zu Problemen bei der Unternehmensbewertung, hier insbesondere beim Rating durch die Banken. Dies kann deutliche Zinsnachteile bei notwendigen Finanzierungen bringen. Liegen die Entnahmen aus dem Unternehmen über dem Gewinn des laufenden Jahres (Überentnahmen), kann dies dazu führen, dass die Schuldzinsen des Unternehmens i.H.v. 6 % der Überentnahme steuerlich nicht mehr abzugsfähig sind (§ 4 Abs. 4a EStG). Diese Regelung ist bedeutsam, soweit der Zinsaufwand insgesamt über 2.050 € im Jahr liegt. Personenunternehmen können die Eigenkapitalsituation verbessern und Überentnahmen vermeiden, indem noch im Dezember entsprechende Einzahlungen auf das Unternehmenskonto erfolgen. Das positive Eigenkapital sollte 200.000 € nicht übersteigen, um noch in den Genuss des Investitionsabzugsbetrags zu kommen. Für Unternehmer mit einer hohen Einkommensteuerbelastung (Grenzsteuersatz über 35 %) kann die Nutzung der begünstigten Besteuerungsregelung für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben (Thesaurierungsbesteuerung), von Vorteil sein. Um diese optimal zu nutzen, ist eine frühzeitige Strategie zur Eigenkapitalgestaltung durch Einlagen und Entnahmen erforderlich. In welcher Höhe dann der Antrag auf die begünstigte Besteuerung (Steuersatz rund 29 %) gestellt wird, bedarf dann noch weiterer individueller Berechnungen und Planungen.

Überschreitung von Grenzwerten bei der Umsatzsteuer

Unternehmer/Freiberufler, die umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer (§ 19 UStG) behandelt werden, müssen die Grenzen des Umsatzsteuerrechts beachten, um nicht durch Überschreitung der Grenzwerte in eine unerwünschte Besteuerungsregelung zu kommen. Überschreiten Kleinunternehmer den Grenzbetrag von 22.000 € im Jahr 2023, unterliegen sie ab 01.01.2024 der umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung. Auch hier kann durch Verschiebung von Einnahmen eine steuerlich optimierte Gestaltung erfolgen. Bei Überschreitung ist die Rechnungsstellung ab 01.01.2024 mit Umsatzsteuerausweisentsprechend den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts durch­zuführen.

Die Besteuerung erfolgt bei der Umsatzsteuer i.d.R. nach vereinbarten Entgelten. Das bedeutet, dass bei Rechnungserhalt der Vorsteuerabzug möglich und bei Rechnungsstellung die Umsatzsteuer abzuführen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Zahlung bereits erfolgte. Dies kann – je nach Branche und Zahlungsziel – für den einzelnen Unternehmer zu einem hohen Liquiditätsbedarf führen, soweit die Umsatzsteuer weit vor dem Erhalt der Kundenzahlungen abgeführt werden muss. Aus diesem Grund besteht für bestimmte Unternehmen die Möglichkeit, die Umsatzsteuerbeträge erst beim Zahlungsvorgang (Ist-Besteuerung Umsatzsteuer) zu berücksichtigen. Hierzu gehören die Freiberufler (Katalog gem. § 18 EStG) und Unternehmen, die nicht bilanzierungspflichtig sind, sowie – auf Antrag – Unternehmen, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Wirtschafts­jahr nicht mehr als 600.000 € betragen hat (§ 20 UStG). Für die begünstigten Unternehmen ist eine Umstellung auf die sogenannte Ist-Versteuerung jeweils zum Jahreswechsel möglich. Hier­zu ist ein Antrag beim zuständigen Finanzamt zu stellen. Der Antrag ist an keine Frist gebunden.

Verträge mit Angehörigen

Zum Jahresende sollten regelmäßig alle Verträge mit Angehörigen, die steuerliche Wirkung entfalten, überprüft werden. Werden die gewünschten Ziele noch erreicht? Wurden Grenzen über- oder unterschritten? Das gilt insbesondere für Miet- und Arbeitsverträge. Bei einer steuerlich wirksamen Vermietung an Dritte ist der Vergleich mit der ortsüblichen Miete im Rahmen der steuerlichen Regeln im Auge zu behalten.

Verluste von Ansprüchen wegen drohender Verjährung zum 31.12.

Auch Verjährungsfristen von Forderungen, Umlagenabrechnungen etc. und den Ablauf von Gewährleistungspflichten gilt es zum Jahresende zu beachten, um keine Ansprüche zu verlieren. Inwieweit welche Frist gilt, ist im konkreten Einzelfall zu klären und ggf. sind Maßnahmen zur Wahrung der Frist oder Hemmung eines Fristablaufs zu treffen.

Antrag auf Stromsteuerentlastung

Für Unternehmer des produzierenden Gewerbes (Beispiel: Bäckerei) besteht bei entsprechend hohem Stromverbrauch unter Umständen Anspruch auf eine Entlastung/Rückerstattung von Stromsteuer. Das Gesetz sieht verschiedene Entlastungstatbestände vor. Zur Rückvergütung ist ein entsprechender Antrag beim Hauptzollamt zu stellen. Die Antragsfrist läuft jeweils zum 31.12. des Folgejahres ab. Antragsformulare und Infos hierzu sind im Internet bei den Stromanbietern und unter www.bundesfinanzministerium.de zu finden.

Besteuerung der Privatnutzung von Firmenfahrzeugen

Zum Jahreswechsel sollte überprüft werden, ob es sinnvoll ist, von der sogenannten 1-%-Rege­lung zur Fahrtenbuchmethode zu wechseln. Hierzu ist die Installation eines elektronischen Fahrten­buchs rechtzeitig vor dem 01.01. des nächsten Jahres zu empfehlen.

Inventur per 31.12.

Unternehmen mit einem Warenbestand sollten per 31.12. eine Inventur durchführen, auch wenn sie nicht dazu verpflichtet sind. Das Inventurergebnis dient der Beurteilung des Unternehmensgewinns sowie der Lagerumschlagsgeschwindigkeit und deckt Fehlmengen auf.

In den vergangenen Jahren kam es zu einer Vielzahl gesetzlicher Änderungen zu den Themen:

–      Belegaufbewahrung,

–      Bilanzierung,

–      elektronische Datenübermittlung (z.B. bei der Nutzung elektronischer Kassensysteme).

Die verschiedenen Übergangsvorschriften gilt es zu beachten. Auch für Unternehmer, die ihr Unternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft – beispielsweise einer GmbH – führen, besteht noch eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, um Steueroptimierungen noch vor dem Jahreswechsel zu bewirken.

Stand Oktober 2023