Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten
Die unterschiedlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Ehegatten (analog gleichgeschlechtliche Paare, § 2 Abs. 8 EStG) führen nach der Trennung oder Auflösung der ehelichen Gemeinschaft in vielen Fällen zu Unterhaltsansprüchen des einen Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten (§ 1564 BGB/1567 BGB). Hier an dieser Stelle werden allerdings nicht die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern, sondern ausschließlich gegenüber dem Ehegatten / Ehepartner steuerlich betrachtet. Die Verpflichtungen sind rechtlich begründet und man kann sich ihnen nicht entziehen. Sie schränken die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsleistenden zusätzlich dann ein, wenn keine gemeinsame Steuererklärung mit dem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten abgegeben werden kann (am 1.1. des Jahres bereits getrennt lebend). Es liegt somit auf der Hand, dass der Unterhaltsleistende diese Aufwendungen bei seiner Einkommensteuererklärung steuermindernd geltend machen möchte.
Eine steuerliche Berücksichtigung kommt im Rahmen des sogenannten Realsplittings gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG (Einkommensteuergesetz) oder im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen im Sinne von § 33a EStG in Frage. Ein Abzug nach § 33 EStG unter Ansatz der zumutbaren Eigenbelastung wurde durch die BFH Rechtsprechung ausgeschlossen (BFH III R23/98 BStBl. II 02). Auf die Form der Unterhaltsleistung kommt es nicht an. Unterhaltsleistungen können durch Einmalzahlungen, lfd. Zahlungen, Barzahlungen oder auch als geldwerte Vorteile in Form einer ganz oder teilweise überlassenen Wohnung erfolgen. Als Wertmaßstab dienen die amtlichen Sachbezugswerte oder im Falle der Mietwohnung der objektive (ortsübliche) Mietwert. Unterhaltsaufwendungen können nur in dem Jahr geltend gemacht werden, in dem sie entstanden sind. Für Geldzahlungen gilt das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG). Es kommt auf die Höhe der im Kalenderjahr geleisteten Unterhaltszahlungen an und nicht darauf für welches Jahr gezahlt wurde. Unterhaltszahlungen für Kinder können nicht als Unterhaltszahlungen für den Ehegatten berücksichtigt werden.
Realsplitting gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG bzw. § 22 Nr. 1a EStG
Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten können im Rahmen des sogenannten Realsplittings steuermindernd bis zu 13.805 € p.a. berücksichtigt werden. Dieser Betrag erhöht sich um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum für die Absicherung des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten aufgewandten Beiträge. Unter Realsplitting ist eine steuerliche Tarifvergünstigung zu verstehen. Diese entsteht dadurch, dass der höher verdienende und demgemäß Unterhaltsverpflichtete Ehepartner den Unterhaltsaufwand steuermindernd geltend macht und korrespondierend hierzu der andere Ehepartner diesen Unterhaltsaufwand als Einkünfte (§ 22 Nr. 1a EStG) versteuert. Per Saldo entsteht der Tarif-/Splittingvorteil in Höhe des Differenzbetrages zwischen der Steuerminderung beim Unterhaltszahlenden und der Steuererhöhung beim Unterhaltsempfänger.
Der tatsächliche Steuervorteil sollte im Vorfeld berechnet werden. Je nach Höhe der Einkünfte der beiden Beteiligten, kann dieser gering sein oder mehrere tausend Euro betragen. Durch eine ungeschickte Gestaltung und Fristversäumnisse können hier leicht aus den steuerlichen Vorteilen steuerliche Nachteile werden. Zwingende Voraussetzung für das Realsplitting ist, dass beide Partner diesem Verfahren zustimmen. Dies erfolgt durch Unterzeichnung der Anlage U durch beide Ehegatten/Geschiedene. Eine betragsmäßige Begrenzung der Zustimmung ist möglich. Der Antrag bindet die Antragsteller für ein Jahr. Eine Rücknahme oder nachträgliche Beschränkung ist nicht möglich. Die Zustimmung gilt auch für die Folgejahre als erteilt, wenn sie nicht vom Unterhaltsempfänger vor Beginn des nächsten Jahres widerrufen wird (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG). Eine betragsmäßige Veränderung ist jedoch im Folgejahr möglich, soweit diese in beiden Erklärungen (Leistender/Leistungsempfänger) in übereinstimmender Höhe erfolgt (vergl. BFH Urteil vom 22.09.1999 AZ: XI R 121/96). Der Widerruf – gilt jeweils für das Folgejahr – und ist an das Wohnsitzfinanzamt des Unterhaltsleistenden oder des Unterhaltsempfängers zu richten. Soweit regelmäßig der Sonderausgabenabzug im Rahmen des Realsplittings gewählt wird, kann das Finanzamt beim Leistungsempfänger auch angemessene Steuervorauszahlungen festsetzen. Im Gegenzug kann der Unterhaltsleistende einen Freibetrag für den Lohnsteuerabzug beantragen (Antrag auf Lohnsteuerermäßigung) oder die Unterhaltsaufwendungen werden bereits bei Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen berücksichtigt. Vom Unterhaltsempfänger und von Unterhaltsleistenden sind jeweils Einkommensteuererklärungen abzugeben.
Häufig verweigert der Unterhaltsempfänger die Zustimmung zum Realsplitting. Dies meist aus der Angst heraus, dass dem anderen zwar Steuervorteile gewährt werden, er selbst aber dem Risiko von Steuernachforderungen ausgesetzt ist. Die Verweigerung ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht zulässig (vergl. BGH, Urteil vom 29.04.1998 AZ XII ZR 266/96), soweit unter dem Strich insgesamt steuerliche Vorteile entstehen, da hierdurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsleistenden erhöht wird. Die Zustimmung muss der Unterhaltsempfänger (i.d.R. Ehefrau) jedoch nur erteilen, wenn ihm der Ausgleich sämtlicher Nachteile (Nachteilausgleichserklärung) zugesichert wird (§ 242 BGB). Hierzu gehört die durch die Mehreinkünfte-Erklärung fällige Mehrsteuer, die etwaige Steuervorauszahlung, ggf. die Aufwendungen für die nur durch die Unterhaltseinkünfte notwendige Abgabe einer Einkommensteuererklärung und ggf. der Verlust anderer finanzieller Zuschüsse/Vergünstigungen (Vergl. BGH XII ZR 250/04). Der Anspruch auf Zustimmung ist ggf. zivilrechtlich durchzusetzen. Dies ist nicht Aufgabe der Finanzverwaltung. Soweit die Zustimmung erst nach Bestandskraft des Steuerbescheides erfolgt, kann dieser ggf. aufgehoben werden (FG Hamburg 13.6.1995 III 170/93).
Der Unterhaltsempfänger kann bei Ermittlung der sonstigen Einkünfte Werbungskosten geltend machen. Üblicherweise bleibt es hier beim Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 102 €.
Beispiel 1 ohne Anlage U: |
zvE |
ESt |
SolZ |
Unterhaltsleistender |
50.000 € |
12.432 € |
684 € |
Unterhaltsempfänger |
12.000 € |
509 € |
0 € |
Summen |
62.000 € |
12.941 € |
684 € |
Gesamtsteuerbelastung |
13.625 € |
12.941 € |
684 € |
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Beispiel 1 mit Anlage U: |
zvE |
ESt |
SolZ |
Unterhaltsleistender |
50.000 € |
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./. Unterhalt |
13.800 € |
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zu versteuerndes Einkommen |
36.200 € |
7.288 € |
401 € |
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Unterhaltsempfänger |
12.000 € |
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zzgl. Unterhalt |
13.800 € |
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./. WK-Pauschbetrag |
-102 € |
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Summen |
25.698 € |
3.566 € |
196 € |
Gesamtsteuerbelastung |
11.451 € |
10.854 € |
597 € |
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Steuerersparnis |
2.174 € |
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Im ersten Beispiel ist der Unterhaltsempfänger berufstätig und verfügt über eigenes Einkommen. Der Steuervorteil durch Vereinbarung des Realsplittings beträgt 2.174 €. Dieser Betrag bleibt dem Unterhaltsleistenden übrig, soweit er den steuerlichen Nachteil beim Unterhaltsempfänger ausgleicht. Im zweiten Beispiel ist der Unterhaltsempfänger nicht berufstätig und der Unterhaltsleistende verfügt über ein höheres Einkommen.
Beispiel 2 ohne Anlage U: |
zvE |
ESt |
SolZ |
Unterhaltsleistender |
80.000 € |
24.978 € |
1.374 € |
Unterhaltsempfänger |
0 € |
0 € |
0 € |
Summen |
80.000 € |
24.978 € |
1.374 € |
Gesamtsteuerbelastung |
26.352 € |
24.978 € |
1.374 € |
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Beispiel 2 mit Anlage U: |
zvE |
ESt |
SolZ |
Unterhaltsleistender |
80.000 € |
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./. Unterhalt |
13.800 € |
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zu versteuerndes Einkommen |
66.200 € |
18.678 € |
1.027 € |
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Unterhaltsempfänger |
0 € |
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zzgl. Unterhalt |
13.800 € |
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./. WK-Pauschbetrag |
-102 € |
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./. sonstige Aufwendungen |
-1.200 € |
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Summen |
12.498 € |
509 € |
0 € |
Gesamtsteuerbelastung |
21.214 € |
19.187 € |
1.027 € |
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Steuerersparnis |
6.138 € |
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(z.v.E = zu versteuerndes Einkommen)
Hier beträgt die Steuerersparnis 6.138 €. Soweit der Unterhaltsempfänger über keine weiteren Einkünfte verfügt und zusätzlich eigene Aufwendungen (Arztkosten, haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen, Ausbildungskosten etc.) steuermindernd geltend machen kann, ist ein deutlich höherer steuerlicher Vorteil möglich. Der maximale Vorteil beträgt 45% von 13.800 zuzüglich Solizuschlag = 6.552 €. Auch dieser Betrag kann noch erhöht werden, soweit andere Vorteile durch den Steuertarif oder die Unterschreitung von Einkunftsgrenzen bedingt sind.
Weitere Hinweise zum Realsplitting:
- Übersteigen die tatsächlichen Unterhaltsleistungen den Betrag von 13.805 €, so kann der übersteigende Betrag nicht im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht werden (EStR 10.2).
- Nach herrschender Rechtsauffassung (vergl. Ludwig Schmidt 2009 S. 862 Rz. 55) kommt es auch beim Realsplitting auf die tatsächliche Höhe der Unterhaltsleistungen an. Soweit die Unterhaltsleistungen tatsächlich niedriger sind, als in der Anlage U vorgesehen, kommt auch nur ein Sonderausgabenabzug in der tatsächlichen Höhe in Frage. Das Gleiche gilt korrespondierend für die Besteuerung der Einkünfte beim Leistungsempfänger. Die Beweislast trifft den Unterhaltsleistenden (BFH IX B 35/87). Der Sonderausgabenabzug gem. § 10 EStG erfordert rechtssystematisch eine wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen. Dies ist nicht der Fall, wenn die tatsächlichen Unterhaltsleistungen unter den, in der Anlage U angegebenen Werten liegen. Korrespondierend ist dann auch die Besteuerung der Einkünfte zu berichtigen. Bestandskräftige Bescheide sind ggf. nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (Neue Tatsachen) zu ändern.
- Zwingende Voraussetzung für die Anwendung des Realsplitting ist, dass beide Ehegatten unbeschränkt steuerpflichtig sind (Inländer) oder die Voraussetzungen des § 1a EStG (fiktive unbeschränkte Steuerpflicht für EU-/EWR Familienangehörige) vorliegen.
- Bei im Ausland lebenden Ehegatten/geschiedenen Ehegatten ist das Verfahren des Realsplitting nur möglich (bestätigt durch EUGH = Europäischer Gerichtshof vom 12.07.2005), wenn in Deutschland für den Zahlungsempfänger eine Veranlagung nach den Regeln des §1a EStG durchgeführt werden kann. Dies trifft nur bei Staaten zu, die der EU-/EWR angehören und soweit der Zahlungsempfänger die Anforderungen gem. § 1 Abs. 3 EStG erfüllt. Dies ist der Fall, wenn beim Unterhaltsempfänger 90 % der Einkünfte der deutschen Steuer unterliegen und die übrigen Einkünfte 6.136 € nicht übersteigen.
- Auch nach Bestandskraft der Steuerbescheide kann noch ein Antrag auf Anwendung des „Realsplittings“ gestellt werden. Die erstmals erstellte Anlage U nach Bestandskraft der Steuerbescheide führt zu einer Aufhebung und Änderung der Bescheide gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis).
Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung
Soweit der Unterhaltsempfänger seine Zustimmung verweigert und eine gerichtliche Auseinandersetzung scheut, ist auch ein Abzug im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen (i.S. v. § 33a Abs. 1 EStG) bis zum Höchstbetrag von 9.408 € (VZ 2020) möglich. Dies setzt allerdings voraus, dass kein Wahlrecht der Zusammenveranlagung besteht. Das heißt, dass die Ehegatten am 01.01. des Jahres bereits getrennt lebend oder geschieden waren. Weitere Voraussetzung für den steuerlichen Abzug ist eine tatsächlich bestehende Unterhaltsverpflichtung (Urteil) und der Nachweis zu den erbrachten Unterhaltsleistungen. Der Höchstbetrag ist um die Einkünfte des Unterhaltsempfängers zu kürzen, soweit diese 624 € übersteigen. Damit kommt es bei Einkünften des Unterhaltsempfängers ab 10.032 € zu keiner Steuervergünstigung mehr. Bei im Ausland lebenden Ehegatten ist der steuerliche Abzug auf die Verhältnisse des Wohnsitzstaates nach der Ländergruppenregelung begrenzt. Eine Aufteilung der Unterhaltsleistungen in außergewöhnliche Belastungen und Sonderausgaben ist nicht möglich.
Unterhaltsleistungen / Realsplitting bei Wiederheirat
Soweit die Unterhaltsverpflichtung der Ehegatten / Lebenspartner aus ihrer früheren Ehe weiterhin besteht, ist diese auch unabhängig von einer späteren Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsempfängers. Insoweit kann das Realsplitting auch noch steuerlich von Vorteil sein, wenn beispielsweise das Einkommen des wiederverheirateten Unterhaltsverpflichten deutlich höher ist als das Einkommen des Unterhaltsempfängers. Zur Nachteilsausgleichsverpflichtung des Unterhaltsleistenden gegenüber dem Unterhaltsempfänger bei Wiederheirat des Unterhaltsempfängers hat der Bundesgerichtshof ein Urteilt gefällt. Hiernach ist der Unterhaltsleistenden im Jahr der Wiederheirat des Unterhaltsverpflichteten nicht zum vollen Nachteilsausgleich verpflichtet (BGH, Urteil v. 17.2.2010, XII ZR 104/07). Insoweit ist die im Vorfeld immer korrespondierend durch Steuervorausberechnungen zwischen dem Unterhaltsleistenden und dem Unterhaltsempfänger zu prüfen und ggf. die Zustimmung zur Anlage U zu widerrufen.
Dezember 2020